St. Gallus Kirche
Unsere evangelische Kirche in Aistaig zählt mit anderen, zu den ältesten – in Teilen baulich erhaltenen – Kirchen in unserer Region. Vom 1404 errichteten Bau sind Chor und Sakristei noch erhalten. Ebenso die figürlichen Schlusssteine und Kopfkonsolen in der Sakristei sowie die nur selten erhaltene Piscina (oder Lavabo); eine Öffnung in der Wand mit Ausguss nach Außen (heute verschlossen), um angemessen mit dem Abendmahlswein und dem Taufwasser umzugehen.
Zu jener Zeit waren die Kirche und die zugehörige Gemeinde noch katholisch. Dies sollte sich bald ändern. 1317 waren Kirche und Dorf Aistaig durch Kauf an die Grafen, später Herzöge von Württemberg gekommen. Als Herzog Ulrich 1534 die Reformation einführte, nahm auch Aistaig den neuen Glauben an. (Die umliegenden Gebiete, namentlich Oberndorf, das zur Grafschaft Hohenberg und ab Ende des 14. Jahrhunderts zu Vorderösterreich gehörte, blieben mehrheitlich katholisch.) Diese starren Konfessionsgrenzen, die sich an den politischen Landesgrenzen orientierten, blieben so erhalten, bis 1806 unter Napoleon die südwestdeutsche Kleinstaaterei im neugeschaffenen Königreich Württemberg vereinheitlicht wurde.
Vorübergehend von 1938 bis 1950, endgültig 1975 wurde Aistaig zur Stadt Oberndorf am Neckar eingemeindet. Deren Bevölkerung insgesamt ist heute zu knapp der Hälfte katholisch und zu einem Drittel evangelisch. In Aistaig jedoch sind die Verhältnisse umgekehrt: Die Hälfte ist evangelisch und nur ein Viertel ist katholisch. Von den 1.759 Einwohnern gehören 510 Personen zu unserer Gemeinde (2022).
Mit der katholischen Gemeinde in Aistaig, die ihre Gottesdienste in der modernen, 1962 errichteten Kirche Maria Königin des Friedens feiert, bestehen längst sehr gute Beziehungen. Mehrere Kreise unserer Gemeinde sind ausgesprochen ökumenisch orientiert und für alle Konfessionen offen.
Wie der Orgelprospekt in blassem Grün gehalten, hängt im Kirchenschiff die protestantisch schlichte Kanzel. Sie stammt aus dem Jahr 1648 und möglicherweise aus dem Vorgängerbau des Augustinerklosters in Oberndorf. Über ihr ist die ungefasste Figur „Der gute Hirte“ aus frühem 19. Jahrhundert in einer Nische eingelassen.
Im 18. Jahrhundert, in den Jahren 1764-68 wurden das Kirchenschiff und -turm neu errichtet. In der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, 1953, wurde die gesamte Kirche umfassend renoviert. Aus dieser Zeit stammt die Empore mit der harmonisch eingepassten Balustrade. Bis zu dieser Zeit befand sich die Empore an der Nordseite des Kirchenschiffes, das Kirchengestühl war parallel zur Längsachse ausgerichtet, und der Eingang wurde damals von der Nord- auf die Südseite verlegt.
Der Turm mit dem Pyramidendach erhebt sich im Westen über das Kirchenschiff. Im Dachstuhl hängen insgesamt vier Glocken, die eine bewegte Historie haben. Eine Bronzeglocke, die von 1833, wurde im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen und 1920 durch zwei Stahlglocken ersetzt. Diese wiederum wurden 1960 gegen drei neue Bronzeglocken ausgetauscht. Sie hängen heute neben der möglicherweise ältesten Glocke in Oberndorf, die aus dem 13./14. Jahrhundert, aus der Werkstatt von Hainrich dem Glogner zu Rottweil stammt und die Christus und den Evangelisten geweiht ist.
Zu einer guten alten protestantischen Kirche gehört in Württemberg selbstverständlich ein Pfarrhaus! Es steht gegenüber auf der anderen Straßenseite: Ein mächtiger Fachwerkbau von 1650, der sogar noch über einen Wirtschaftsteil verfügt. Dazu gehört ein weitläufiger Garten. In vormoderner Zeit war es durchaus üblich, dass die Pfarrer und ihre Familien nebenher noch eine Landwirtschaft betrieben.